28. April 2024

Sport Express

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Vor Paris-Roubaix: App sorgt für Debatten

Die App Strava ist so etwas wie das Facebook des Radsports. Profis können dort ihre Daten mit aller Welt teilen oder auch verheimlichen. Das sorgt bisweilen für Diskussionen.

Zum Höhepunkt der Kopfsteinpflaster-Klassiker zählt nur rohe Gewalt. Auf den 257 Kilometern von Paris-Roubaix müssen die Radprofis am Ostersonntag keine steilen Anstiege überwinden, stattdessen geht es über 29 brachiale Sektoren.

Da zählt neben Glück und Taktik vor allem Kraft – in die Radsport-Sprache übersetzt: Watt. Der Umgang mit diesen Werten führt immer mal wieder zu Diskussionen, natürlich auch in diesem Jahr. Dabei geht es stets um Transparenz und Nachvollziehbarkeit, niemand soll etwas verheimlichen dürfen – doch alle wollen es natürlich.

Favorit Van der Poel setzt auf Privatsphäre

Jüngst fand sich in Mathieu van der Poel einer der Favoriten für den Sieg bei der «Hölle des Nordens» im Zentrum der Debatte. Der Niederländer hatte seine Daten ein Jahr lang über die für Jedermann zugängliche Plattform Strava veröffentlicht. Wenn man so will, so etwas wie das Facebook für Ausdauersportler. «Ich bekam immer wieder rechts und links zu hören, das nichts über mein Training bekannt ist», sagt der 28-Jährige. Um möglichen Verdächtigungen entgegenzuwirken, machte van der Poel seine Werte öffentlich. Seit diesem Jahr ist damit Schluss.

Der Schritt ist nachvollziehbar, schließlich soll die Konkurrenz nicht wissen, wie die eigene Form ist. Van der Poels größter Rivale Wout van Aert teilt zwar noch seine Ausfahrten, lässt aber Daten wie die Herzfrequenz und die Leistung in Watt weg. «Dann bringt das eigentlich nichts, denn man kann nichts daraus schließen», sagt van der Poel. Flandern-Sieger Tadej Pogacar verfährt genauso: Training ja, Schlüsseldaten nein.

Degenkolb: «Watt gewinnt keine Rennen»

Der frühere Roubaix-Sieger John Degenkolb sieht das Thema deutlich entspannter. «Die Wattzahlen finde ich nicht so bedeutend», sagt der 34-Jährige der dpa. «Watt gewinnt keine Rennen.» Der Routinier sieht Strava vor allem «als ein tolles Tool, um die Leute teilhaben zu lassen, was man für einen Aufwand betreibt.» Jeder der sich auf der Plattform anmeldet, kann Degenkolb folgen und erhält einen Einblick in seine Leistungen. So ist zu sehen, dass der gebürtige Thüringer im vergangenen Jahr über 30.000 Kilometer auf dem Rad zurücklegte. In diesem Jahr sind es bereits weit über 8000.

Zum einen verschafft Strava Ausdauersportarten wie Radsport, Ski-Langlauf, Triathlon oder Marathonlauf mehr Glaubwürdigkeit. «Natürlich trägt die Verfügbarkeit von Daten zur Transparenz bei. Man kann sicherlich abschätzen, wo die Weltspitze liegt und das kann auch als Referenz dienen», erklärt Dan Lorang, Head of Performance beim deutschen Team Bora-hansgrohe, der dpa.

Vergleichen mit den Profis

Auf der anderen Seite schafft die Plattform eine engere Verbindung zwischen Profi und Hobbysportler. Man kann den Paterberg in Flandern oder Alpe d’Huez in den Alpen fahren, seine Daten hochladen und die Zahlen mit denen der Profis vergleichen. Bei diesen Bestzeiten für bestimmte Streckenabschnitte – den sogenannten KOM – findet man sogar oft die Namen von Ottonormalverbrauchern vor Stars wie Pogacar oder van der Poel. Während die Profis ihre Bestwerte meist im Vorbeigehen bei einem Rennen aufstellen, konzentrieren sich Hobbyfahrer nur auf die jeweiligen Abschnitte.

Beim Team Bora-hansgrohe geht man sogar so weit, mithilfe von Strava talentierte Nachwuchsfahrer zu finden. Beim Juniors Programm des Teams können ambitionierte Teenager ihre Strava-Daten zur Verfügung stellen und vom Team analysieren lassen. Bis Ende Mai läuft die Bewerbungsphase noch. Bestätigt man seine Leistung anschließend bei ausgiebigen Tests, erhält man einen U19-Vertrag beim Bora-Entwicklungsteam Auto Eder.

Nils Politt, Boras Kapitän bei Paris-Roubaix und dort schon 2019 Zweiter, nutzt Strava, um seine Trainingsrouten zu planen. Seine Powerdaten veröffentliche er dabei bewusst nicht. Die Jagd nach Bestzeiten auf bestimmten Streckenabschnitten motiviert ihn allerdings. «Es macht aber schon Spaß, sich auch mal um eine KOM zu challengen», sagt Politt. «Ich folge auch ein paar Freunden, aber nicht um zu sehen, was sie trainieren. Eher um zu sehen, wo sie rumfahren.»

Tom Bachmann, dpa