3. Oktober 2024

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Copa América ohne Zuschauer auf Torejagd

Eigentlich wollte dieses Turnier niemand so recht. Erst sprangen die ursprünglichen Ausrichter ab, dann wehrten sich die Spieler, zuletzt entschieden die Richter. Trotz aller Widerstände rollt ab Sonntag nun der Ball in Südamerika.

Vorfreude klingt anders: «Wir sind gegen die Organisation der Copa América, aber wir werden niemals Nein zur brasilianischen Nationalmannschaft sagen.»

Maximal unmotiviert bekannte sich die brasilianische Nationalmannschaft in einem Statement kurz vor dem Anpfiff doch noch zur Copa América im eigenen Land bekannt. Die Kontinentalmeisterschaft im Corona-Brennpunkt Brasilien dürfte in vielerlei Hinsicht ein ungewöhnliches Turnier werden.

Der größte Gegner ist das Virus

Schon der Weg zur Copa América gestaltete sich holprig. Zunächst sprang Ausrichter Kolumbien ab, nachdem bei zum Teil blutigen Protesten gegen die Regierung Dutzende Menschen ums Leben kamen. Dann zog sich auch Co-Ausrichter Argentinien zurück, das zu Beginn des Winters auf der Südhalbkugel hart von der zweiten Corona-Welle getroffen wurde. Schließlich wurde das Turnier nach Brasilien verlegt. Dort entschied der Oberste Gerichtshof erst am 10. Juni, dass die Copa América tatsächlich stattfinden darf.

Jetzt soll ab Sonntag der Ball rollen. Dabei ist auch das größte Land Lateinamerikas weiterhin ein Brennpunkt der Corona-Pandemie: Bislang haben sich mehr als 17 Millionen Menschen nachweislich mit dem Virus Sars-CoV-2 infiziert, rund 480.000 Menschen sind im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben. Der rechte Präsident Jair Bolsonaro hat das Virus stets verharmlost und sich gegen harte Maßnahmen gestemmt. Zuletzt hatten Wissenschaftler zudem eine neue Variante des Coronavirus identifiziert.

Millionen Menschen haben Angehörige verloren, die Pandemie hat die Armut verstärkt, noch immer arbeiten Ärzte und Pfleger auf den überlasteten Intensivstationen am Limit. Die Spieler um Superstar Neymar fanden es deshalb unangemessen, in solchen Zeiten ein internationales Fußballturnier zu veranstalten. Für ihre Boykott-Pläne konnten sie aber offenbar nicht genug Verbündete in den anderen Ländern gewinnen. Gerade für die Spieler, die in Südamerika unter Vertrag stehen, gilt die Copa als Schaufenster.

Zehn Mannschaften kämpfen um den Titel

Los geht es am Sonntag mit dem Eröffnungsspiel des Gastgebers Brasilien gegen Venezuela im Stadion Mané Garrincha in der Hauptstadt Brasília. Bis zum 28. Juni läuft dann die Gruppenphase mit den zehn südamerikanischen Mannschaften, nach einer dreitägigen Pause beginnen die Viertelfinals. Das Endspiel ist für den 10. Juli im legendären Maracaná in Rio de Janeiro angesetzt.

Zu den Favoriten auf den Titel gehören Brasilien, Argentinien, Uruguay und Kolumbien. Brasilien will den Titel im eigenen Land verteidigen, verfügt mit Neymar über einen immer gefährlichen Torjäger und führt derzeit mit sechs Siegen aus sechs Spielen auch in der Qualifikationsgruppe für die WM 2022.

Argentiniens Superstar Lionel Messi will die Möglichkeit nutzen, um endlich mit der Nationalmannschaft einen internationalen Titel zu holen. Die Albiceleste gewann 1993 zum letzten Mal die Copa América. Messi wird während des Turnier 34 Jahre alt – es könnte eine seiner letzten Chancen auf den Titel sein.

Mit Uruguay muss bei der Copa immer gerechnet werden. 15 Mal holte die Nationalmannschaft des kleinen südamerikanischen Landes bereits den Titel – öfter als jedes andere Team. Mit Luis Suárez von Atlético Madrid und Edinson Cavani von Manchester United schicken die Uruguayer zudem eine der gefährlichsten Sturmspitzen der Region in das Turnier.

Vor 20 Jahren gewann Kolumbien zum einzigen Mal die Copa América, jetzt will die Mannschaft von Trainer Reinaldo Rueda den Triumph von 2001 wiederholen. Erst am 8. Juni rangen die Kolumbianer Argentinien in der WM-Qualifikation ein Unentschieden ab. Zwar müssen die Cafeteros auf ihren Star James Rodríguez verzichten. Wegen einer aus seiner Sicht noch nicht ganz auskurierten Verletzung nominierte Rueda den Ex-Bayern-Spieler nicht – Rodríguez soll ziemlich sauer über die Entscheidung sein. Aber wenigstens ist die kolumbianische Sturmspitze perfekt aufeinander eingestellt: Duvan Zapata und Luis Muriel spielen bei Atalanta Bergamo zusammen.

Der größte Gegner ist das Virus

Der größte Gegner steht bei dem Turnier ohnehin nicht auf dem Platz: In Corona-Zeiten geht es vor allem um den Schutz vor dem Virus. Der regionale Fußballverband Conmebol hat ein umfangreiches Hygiene-Protokoll ausgearbeitet. Zuschauer sind bei den Spielen nicht zugelassen. Zudem dürften Spieler und Funktionäre schon über einiges an Routine verfügen. Die Copa Libertadores und die WM-Qualifikation laufen bereits eine Weile unter Corona-Bedingungen.

Bei der Copa América dürfen die Teams beispielsweise abgesehen von den Spielen ihre Unterkünfte nicht verlassen. Argentinien geht sogar einen Schritt weiter: Die Mannschaft von Nationaltrainer Lionel Scaloni wird auf dem Verbandsgelände nahe dem Flughafen von Buenos Aires kaserniert und fliegt für jede Partie nach Brasilien.

Von Denis Düttmann, dpa