29. April 2024

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«Was passiert hier?» Wellbrock scheitert erneut früh

Für Florian Wellbrock ist die Schwimm-WM beendet. Der 25-Jährige scheidet im Vorlauf über 1500 Meter Freistil aus. Darüber reden will er danach nicht. Ein Teamkollege hat Medaillenchancen.

Fassungslos hing Florian Wellbrock über der Leine im WM-Becken von Fukuoka. Auch Teamkollege Lukas Märtens, der ihm mitfühlend auf die Schulter klopfte, konnte ihn nicht trösten. Zum zweiten Mal bei den Weltmeisterschaften in Japan ist Mitfavorit Wellbrock bereits im Vorlauf ausgeschieden. Über 1500 Meter Freistil brach der 25-Jährige komplett ein und schied als 20. der Vorläufe aus.

«Ich würde gerne Antworten dazu geben, was die letzte Woche passiert ist – beziehungsweise gerade nicht passiert ist. Wir haben aber keine Antworten», sagte Wellbrock gut sechs Stunden nach seinem Rennen. «Der Tag heute fühlt sich ein bisschen surreal an», sagte Wellbrock. «Die letzten Jahre und eigentlich bis heute Morgen war ein Vorlauf nie ein Thema für mich. Jetzt bin ich zweimal überraschend an dieser Hürde gescheitert.»

Eine Ewigkeit langsamer

Wellbrock schlug nach 15:10,33 Minuten an und war damit mehr als 35 Sekunden langsamer als bei seinem deutschen Rekord auf der Distanz – eine Ewigkeit im Schwimmbecken. Sagen wollte er direkt nach dem Rennen erstmal nichts. «Lukas kommt gleich für euch», sagte er in der Interviewzone der Marine Messe und lief mit einem weißen Handtuch über der Schulter weiter.

Märtens, der selbst als Vierter in 14:51,20 Minuten souverän ins Finale einzog, war ob der Leistung seines Magdeburger Trainingspartners und Kumpels schockiert. «Ich fand das Rennen von mir wirklich sehr gut, aber ich habe mir während des Rennens gedacht: Was passiert hier eigentlich?», sagte er.

Suche nach Erklärungen

Eine Erklärung für Wellbrocks zweiten sehr schwachen Wettkampf innerhalb von fünf Tagen hatte er nicht. Bereits über 800 Meter Freistil war der Freiwasser-Olympiasieger im Vorlauf gescheitert. «Da möchte ich jetzt auch nicht reinreden. Das muss er alles selber mit Bernd analysieren. Ich will mir da überhaupt kein Urteil zu ihm erlauben», sagte Märtens.

Bernd, das ist Langstreckenbundestrainer Bernd Berkhahn. Der 52-Jährige konnte kurz nach dem Rennen ebenfalls nicht erklären, was er da gerade gesehen hatte. «Wenn ich das wüsste…», sagte er zu Wellbrock. «Eigentlich ist er fit und gut drauf.» Viele hatten beim gebürtigen Bremer auf ein Comeback wie 2019 gehofft. Damals war Wellbrock im südkoreanischen Gwangju ebenfalls über 800 Meter ausgeschieden und hatte sich dann zum Weltmeister über 1500 Meter gekrönt.

Mentaler Druck

«Der mentale Druck war natürlich enorm hoch», sagte Berkhahn. «Er hat diesmal die Kurve nicht bekommen.» Zum Befinden seines Sportlers sagte der Coach: «Er ist natürlich sehr enttäuscht. Was soll man sonst erwarten von einem Topsportler? Er kommt hier her, um Medaillen zu gewinnen, gar keine Frage. Das war auch sein Anspruch.»

Dass der mentale Druck ein Grund für seine Leistung war, glaubt Wellbrock eher nicht. «Das, was hier passiert, ist das, wofür ich jeden Tag aufstehe, was ich liebe, wofür ich brenne», sagte Wellbrock. «Natürlich ist der Druck irgendwo da. Das gehört dazu. Ich bin aber auch der Meinung, dass ich mit diesem Druck umgehen kann. Deswegen bin ich Wettkampfsportler, deswegen mache ich das so erfolgreich.»

Im Freiwasser noch zweimal Gold

In der ersten WM-Woche war Wellbrock das auch beeindruckend gelungen. Im Meer vor dem Momochi Seaside Park gewann er über fünf und zehn Kilometer Gold im Freiwasser. Die anschließende Staffel ließ er aus, um sich besser auf die Beckenrennen vorzubereiten. Der Plan ging nicht auf.

«Jetzt geht’s darum, Florian wieder aufzubauen», sagte Berkhahn und ergänzte: «Er hat hier eine super Weltmeisterschaft gemacht. Er ist zweimal Weltmeister geworden. Das steht erst mal im Vordergrund für mich.»

Auch ohne Wellbrock kann das deutsche Team am Sonntag (13.16 Uhr MESZ) auf Edelmetall hoffen. Märtens, der über 400 Meter Freistil Bronze gewonnen hatte, ist in starker Verfassung. «Ich traue ihm viel zu», sagte Berkhahn. «So wie er mental auch drauf ist derzeit, freue ich mich auf das Rennen.»

Von Thomas Eßer und Gerald Fritsche, dpa