Auch ein Jahr danach bekommt Gerrit Nieberg noch «Gänsehaut». Wenn sich der 30 Jahre alte Reiter das Video von seinem überraschenden Ritt zum Sieg beim größten Reitturnier der Welt anschaut, ist das immer noch sehr emotional für ihn. «Ich habe es sehr oft und sehr gerne angesehen», sagt Nieberg, der in dieser Woche beim CHIO in Aachen in einer ganz neuen Rolle antritt.
Vor zwölf Monaten konnte Nieberg noch ziemlich unbeachtet über das Gelände in der Aachener Soers gehen. Eher wurde sein Vater angesprochen: Lars Nieberg, der zweimalige Mannschafts-Olympiasieger, der 2018 seine internationale Karriere beendet hatte. Die sportlichen Erfolge des Sohnes waren damals ja noch recht überschaubar.
Nieberg Junior ein Spätstarter
Gerrit Nieberg ist ein Spätstarter. «Ich habe mich anfangs nicht so für Pferde interessiert», sagt der junge Mann aus Sendenhorst. Ritte mit den Nachwuchs-Nationalmannschaften bei Championaten absolvierte er trotz bester familiärer Voraussetzungen nicht. «So lange ist er noch nicht im internationalen Sport», sagt der Vater.
Umso unerwarteter kam der Erfolg mit Ben vor rund 40.000 Zuschauern im Großen Preis von Aachen, was vergleichbar ist mit einem Wimbledon-Sieg im Tennis. «Ich habe eine ganze Weile gebraucht, um zu realisieren, dass das wirklich passiert ist», gibt Gerrit Nieberg zu. Nur einer hatte den richtigen Riecher. Vater Lars hatte im Vorjahr schon zu Beginn der CHIO-Woche augenzwinkernd gesagt: «Wir sprechen uns am Sonntag wieder.»
Lars Nieberg, Gold-Gewinner mit dem deutschen Team bei Olympia, WM und EM, ist jetzt Berater und Trainer des Sohnes. Nachdem er zum Abschluss der Karriere bei seinem letzten Ritt für die Nationalmannschaft gemeinsam mit Gerrit den Nationenpreis von Dänemark gewonnen hatte. Es war sein 50. Einsatz für Deutschland gewesen.
Mit dem typischen Nieberg-Humor hatte der Vater danach gesagt: «Ich habe das Gefühl, es ist jetzt besser für die Kinder, wenn ich nicht mehr reite.» Zumindest ging es für Gerrit danach rasant nach oben – mit dem spektakulären Höhepunkt im vergangenen Sommer in Aachen.
Rückschläge nach CHIO-Sieg
Seit dem CHIO-Sieg gab es für Gerrit Nieberg auch Rückschläge. Nach dem vermurksten Weltcup-Finale im April in Omaha mit Platz 26 im Sattel von Blues D’Aveline kassierte er bei seinem ersten großen Turnier der Freiluft-Saison in Madrid 16 Strafpunkte im Sattel von Ben. Aber schon eine Woche später triumphierte Gerrit Nieberg mit seinem Toppferd beim Großen Preis von Hamburg.
Erste Bewährungsprobe beim diesjährigen CHIO ist der Nationenpreis am Donnerstagabend, für den ihn Bundestrainer Otto Becker erstmals nominiert hat. «Er ist ein Top-Junge», sagt Becker, der früher zusammen mit dem Vater Medaillen gewann. «Ich kenne ihn ja schon lange, habe ihn groß werden sehen.» Was Becker nicht sagt: Noch fehlt dem 30-Jährigen die Konstanz.
Gerrit Nieberg weiß: «Die Erwartungshaltung ist natürlich größer.» Alle Augen schauen in Aachen auf ihn. Jetzt kennt ihn jeder im größten Reitstadion der Welt, jetzt er ist der Titelverteidiger beim zweiten CHIO-Höhepunkt am Sonntag. Und er will im Großen Preis von Aachen versuchen, «diesen Moment noch einmal zu wiederholen».
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