28. April 2024

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«Nicht fair»: Keine Regelbremse für Verstappen

Die Formel 1 ächzt unter der Dominanz von Max Verstappen und Red Bull. In Kanada winken dem Weltmeister und seinem Team besondere Wegmarken.

Der übermächtige Max Verstappen muss trotz des erneut drohenden WM-Langweilers keine plötzliche Regelbremse fürchten. Formel-1-Chef Stefano Domenicali schloss vor dem Großen Preis von Kanada aus, mithilfe kurzfristiger Regeländerungen für mehr Spannung im Titelrennen zu sorgen.

«Das ist nicht korrekt, weil wir nicht als Teil einer Manipulation gesehen werden dürfen. Das ist nicht richtig und auch nicht fair», versicherte der Geschäftsführer in einem Podcast der Rennserie vor dem achten WM-Lauf in Montreal am Sonntag.

Dass Domenicali sich selbst auf einem offiziellen Kanal nach der Eintönigkeit an der Spitze fragen lassen musste, zeigt das Dilemma der Formel-1-Macher. Alle bisherigen sieben Saisonrennen hat Red Bull gewonnen, allein fünf davon Verstappen. Der Doppel-Weltmeister hat in der Gesamtwertung schon 53 Punkte Vorsprung auf Stallkollege Sergio Perez.

Saisonübergreifend 17 Siege in 18 Rennen

Saisonübergreifend gelangen dem Team sogar 17 Siege in den letzten 18 Grand Prix. Den 100. Sieg in Red Bulls Formel-1-Historie kann am Wochenende wohl höchstens ein mögliches Regenchaos auf dem Circuit Gilles-Villeneuve verhindern.

Noch aber geben sich die Bosse der Königsklasse entspannt, auch wenn ein Titelkrimi und packende Duelle ganz vorn gut für das weitere Wachstum des boomenden PS-Geschäfts wären. Es habe immer Phasen gegeben, in denen ein Rennstall überlegen war, sagte Domenicali. In der Tat beherrschte Mercedes von 2014 bis 2020 die Formel 1. Davor fuhr Sebastian Vettel vier Jahre nacheinander im Red Bull zum Titel, Michael Schumacher erdrückte Anfang des Jahrtausends im Ferrari die Mitbewerber.

«Unser Ziel sollte es sein, wenn man einen strategischen Ansatz wählt, dass diese Zyklen in der Zukunft kürzer ausfallen», sagte Domenicali. Notmaßnahmen für mehr Spektakel wie eine umgekehrte Startreihenfolge oder WM-Punkte schon im Training werden zwar immer wieder diskutiert, wurden bislang aber als zu künstlich verworfen. Auch Zusatzgewichte, die in anderen Rennserien die Erfolgreichen einbremsen, widersprechen dem Geist der Formel 1.

Verstappen wenig begeistert

Ohnehin hat Dauersieger Verstappen schon erkennen lassen, wie wenig er von Änderungen am klassischen Grand-Prix-Format hält. Die zusätzlichen Sprintrennen, die in diesem Jahr sechsmal gefahren werden, verglich der Niederländer abfällig mit «Zocken im Casino». Sogar zu einer Rückzugsdrohung ließ sich der 25-Jährige hinreißen: «Ich hoffe, es gibt nicht zu viele Änderungen. Sonst werde ich nicht mehr lange dabei sein.»

Vorerst strickt Verstappen weiter an seiner Legende. In Montreal könnte er mit seinem 41. Grand-Prix-Sieg zur Ikone Ayrton Senna aufschließen. Dann hätte der WM-Spitzenreiter nur noch Lewis Hamilton, Schumacher, Vettel und Alain Prost vor sich. Rekordsieger Hamilton glaubt sogar, Verstappen könne «absolut» seine Bestmarke von 103 Erfolgen übertreffen. «Er hat eine lange Karriere vor sich. Und schließlich sind Rekorde da, um gebrochen zu werden», sagte der Mercedes-Superstar.

Die Hoffnung der Konkurrenz, dank einer Strafe des Weltverbands Red Bull noch einholen zu können, ist stark gesunken. Wegen eines Verstoßes gegen die Budgetregeln darf das Top-Team in dieser Saison seinen Windkanal deutlich weniger zur Weiterentwicklung des Autos nutzen. «Was wir an Zeit im Windtunnel verloren haben, das haben wir an Motivation gewonnen», sagte Teamchef Christian Horner. 

Die Frage ist nun, ob Red Bull seinen satten Vorsprung bis zum Ablauf des aktuellen Reglements Ende 2025 konservieren und Verstappen bis dahin der Fast-Alles-Gewinner bleiben kann. Serienchef Domenicali gibt sich da mit Blick auf seine Marktdaten betont gelassen. Bei Traditionalisten lasse durch die Dominanz eines Fahrers zwar das Interesse etwas nach. «Für die neuen Märkte, die neuen Fans, die in unser Geschäft kommen, ist das aber wirklich nicht sehr wichtig», ließ Domenicali unlängst wissen.

Christian Hollmann, dpa