1. Dezember 2024

Sport Express

Express-Sport direkt aus der Arena

Nach Eriksen-Schock: Psychologische Hilfe für dänisches Team

Dänemarks Christian Eriksen hat den Zusammenbruch beim Spiel gegen Belgien überlebt, doch der Schock bei seinen Mitspielern ist groß. Der dänische Verband kündigt deshalb professionelle Hilfe an.

«Dänemark verliert. Aber das Leben hat gewonnen.» Das titelte die dänische Zeitung «Ekstrabladet» nach dem Schock von Kopenhagen.

Dänemarks bester Spieler Christian Eriksen kollabierte während des EM-Spiels gegen Finnland und musste danach von mehreren Medizinern per Herzbehandlung «zurückgeholt», sprich: reanimiert werden.

So beschrieb es der Mannschaftsarzt Morten Boesen hinterher bei der Pressekonferenz. Dass der 29-Jährige von Inter Mailand diesen Zusammenbruch überlebt hat und später in einem stabilen und ansprechbaren Zustand in ein Krankenhaus gebracht wurde: Die Erleichterung darüber war wesentlich größer, als es die dänische Enttäuschung oder die finnische Freude über den überraschenden 1:0 (0:0)-Sieg des EM-Debütanten jemals hätten sein können.

Dänische Spieler sichtlich unter Schock

«Alle Gedanken sind bei Christian und seiner Familie», sagte Dänemarks Trainer Kasper Hjulmand. «Er ist einer der besten Spieler. Und dann kann ich sagen, dass er ein noch besserer Mensch ist.»

Dass seine Mannschaft schon am Donnerstag gegen den Gruppenfavoriten Belgien bereits wieder gegen das Vorrunden-Aus bei diesem Turnier anspielen muss, ist klar. Selbst das Spiel gegen Finnland wurde ja nach 107-minütiger Unterbrechung fortgesetzt, obwohl einige dänische Spieler nach den dramatischen Erlebnissen sichtlich unter Schock standen.

Wie schnell sich Eriksen von seinem Zusammenbruch und der Rest des Teams von diesen Bildern erholen wird, ist unklar. Der dänische Verband kündigte noch am Abend an, dass den Spielern und Eriksens Familie nun professionelle Hilfe in Form von psychologischer Betreuung angeboten werde. «Es ist eine traumatische Erfahrung, der sie ausgesetzt sind», sagte Trainer Hjulmand.

Kjaer und Eriksen sind enge Freunde

Als Beispiel nannte er Simon Kjaer, seinen erfahrenen Kapitän. Der 32-Jährige vom AC Mailand hatte noch auf dem Rasen des Parken Stadions Eriksens Freundin Sabrina Kvist Jensen getröstet. Er war es auch, der seine Mannschaft nach der Unterbrechung wieder zurück auf das Spielfeld führte. Doch schon da hatte der ehemalige Wolfsburger Tränen in den Augen. «Simon war tief betroffen und zweifelte, ob er weitermachen konnte. Er hat es versucht, aber es war nicht möglich», erzählte Hjulmand später. Sein Kapitän bat ihn knapp 20 Minuten nach der Wiederaufnahme des Spiels um seine Auswechselung (62.). Kjaer und Eriksen sind enge Freunde, «obwohl sie in Mailand für zwei rivalisierende Vereine spielen», wie ihr Trainer sagte.

Die Entscheidung, das Spiel noch am Samstagabend fortzusetzen, fällten nach übereinstimmenden Aussagen beide Mannschaften. Und nicht der europäische Fußball-Verband UEFA. Der hatte Dänen wie Finnen aber auch nur eine Alternative dazu aufgezeigt: Dass die Partie am Sonntagmittag um 12.00 Uhr weitergespielt wird.

Empathie aus aller Welt

Immerhin erlebten die Spieler so auch, welche Kraft der Fußball in solchen Momenten auch entfalten kann. Im Stadion hatten dänische und finnische Fans schon während der Unterbrechung eine Atmosphäre der Empathie, des Mitgefühls und des Zusammenhalts erzeugt. Als das Spiel wieder angepfiffen wurden, riefen die Finnen: «Denmark, Denmark!»

Fußball-Clubs und Fußball-Spieler weltweit nahmen großen Anteil an Eriksens Zustand. Sie schickten Gebete oder Genesungswünsche über die sozialen Netzwerke. Romelu Lukaku hatte sogar die Möglichkeit, noch mehr zu tun. Eriksens Teamkollege bei Inter Mailand musste gut zwei Stunden nach dessen Zusammenbruch mit der belgischen Mannschaft gegen Russland spielen (3:0). Der Stürmer schoss dabei zwei Tore und widmete seine Auszeichnung als «Spieler des Spiels» seinem dänischen Freund. «Es war für mich heute schwierig, zu spielen», sagte Lukaku. «Ich war in meinen Gedanken bei Christian, ich habe viel geweint, ich hatte Angst. Und ich hoffe, er ist wieder gesund.»

Von Sebastian Stiekel, dpa