28. April 2024

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Kein Rennen, kein Schumacher: Deutschlands trister Ausblick

Wie sieht die deutsche Formel-1-Zukunft aus? Anders als in großen Teilen der Welt sinkt das Interesse, ein neuer Schumacher oder Vettel ist nicht in Sicht. Im Nachbarland sieht es ganz anders aus.

Die Formel 1 boomt weltweit wie nie, doch im Land der Autobauer ist davon nichts zu spüren. «Es besteht ein bisschen die Gefahr, dass man Deutschland als Formel-1-Land vollständig verliert – und da muss man gegensteuern», sagt Hockenheimring-Chef Jorn Teske.

Absehbar wird es keinen deutschen Grand Prix geben, gezeigt werden die Rennen nur noch im Bezahlfernsehen, die Anzahl deutscher Fahrer ist von bis zu sieben auf nur noch einen geschrumpft. Und in dieser Woche kann man auch noch den für einige sicher schmerzhaften Blick ins Nachbarland Österreich werfen, wo zehntausende Fans am Sonntag (15.00 Uhr/Sky) eine PS-Party vor einem Bilderbuch-Panorama feiern werden.

Letzter Deutschland-GP fand 2020 statt

«Neid hilft uns nicht weiter. Wir sind hier in Deutschland einfach nicht in der Situation», sagt Teske mit Blick auf den Großen Preis in der Steiermark. Der Geschäftsführer des Hockenheimrings würde die Motorsport-Königsklasse lieber heute als morgen wieder auf seinem Kurs begrüßen. «Aber da ist noch ein weiter Weg zu gehen», sagt Teske der Deutschen Presse-Agentur: «Realistischerweise sprechen wir da sicherlich nicht über 2024 oder 2025, sondern vermutlich erst ab 2026.» Derzeit wird am Kalender für die nächste Saison gewerkelt, dass Deutschland dort noch auftaucht, ist fast ausgeschlossen.

Schon seit drei Jahren gab es keinen Grand Prix im Heimatland von Michael Schumacher mehr. In der Hochzeit der Motorsport-Königsklasse saßen Millionen vor den Fernsehern, die Tickets für die Rennen auf dem Hockenheimring und dem Nürburgring waren heiß begehrt. Insgesamt gab es 79 Formel-1-Rennen auf deutschem Boden, das letzte 2020 auf dem Nürburgring aber auch nur wegen der Corona-Pandemie. Ein Jahr zuvor machte Mercedes als Titelsponsor den bislang letzten WM-Lauf in Hockenheim möglich. Die Silberpfeile bleiben zwar als deutscher Rennstall langfristig in der Formel 1 dabei, aber nicht als Rennfinanzier.

Deutschland fehlen die Fahrer

«Es ist natürlich schade, dass aktuell die Luft in Deutschland irgendwie raus zu sein scheint», sagte Nico Hülkenberg bei Sport1. Der 35-Jährige ist nach dem Rücktritt von Ex-Weltmeister Sebastian Vettel der einzige verbliebene deutsche Fahrer. 2010 waren es noch sieben, nun ist nicht mal mehr für Mick Schumacher Platz. Der 24 Jahre alte Sohn von Rekordweltmeister Michael Schumacher ist nur Reservefahrer bei Mercedes, ausgerechnet Hülkenberg nahm ihm das Cockpit bei Haas weg. Eine mögliche Schumi-Rückkehr gestaltet sich schwierig.

«Leider kommen wenig deutsche Fahrer nach. Das war zu meiner Juniorenzeit noch anders», sagt Hülkenberg. Der Einstieg in den Motorsport wird immer schwerer, weil immer mehr Geld benötigt wird. «Aber in Deutschland ist ja im Moment das Automobil generell eher der Buhmann beim Thema Klimawandel und längst nicht mehr der Stolz unserer Nation», sagt Hülkenberg: «Das färbt meiner Meinung nach auch negativ auf den Motorsport ab.»

Ein deutscher Grand Prix scheitert an der Finanzierung. Die von der Formel 1 aufgerufene Antrittsgebühr im mittleren zweistelligen Millionen-Bereich ist für die Streckenbetreiber durch Ticketverkäufe hierzulande nicht zu stemmen. Und öffentliche Zuschüsse oder entscheidende Unterstützung aus der Wirtschaft gibt es nicht. In Österreich hilft sowohl Red Bull als Besitzer des Kurses in Spielberg als auch das Land kräftig mit. Und in Kanada oder Brasilien fließt teilweise sehr viel Geld aus der öffentlichen Hand.

Konkurrenz der Ausrichter wächst

In Deutschland sind hingegen innovative Finanzierungskonzepte gefragt, das Risiko müsse auf mehr Schultern verteilt werden. «Wir sind, waren und bleiben in Kontakt mit der Formel 1 und loten immer wieder gemeinsam aus, ob es eine Möglichkeit gibt», sagt Teske. Und dann ist da noch die Konkurrenz. Auch angetrieben vom Hype um die Netflix-Serie «Drive to Survive» gibt es viel mehr potenzielle Ausrichter als WM-Läufe. An den meisten Kursen könnte ein Vielfaches der verfügbaren Tickets verkauft werden. Gerade die USA erleben mit mittlerweile drei Rennen eine nie dagewesenen Formel-1-Euphorie.

Es zeichnet sich ab, dass künftig 24 Rennen pro Jahr stattfinden. Formel-1-Chef Stefano Domenicali hatte zuvor auch schon von 30 gesprochen, doch das ist aufgrund der hohen Belastungen für die Teams kaum zu stemmen. Das Problem für Deutschland: Länder wie Saudi-Arabien, Bahrain oder Katar können problemlos enorme Summen zahlen, damit Max Verstappen und Co. antreten. Selbst die sportliche Langeweile – Verstappen dürfte zum dritten Mal nacheinander Weltmeister werden – verhindert das alles derzeit nicht.

Audi-Einstieg 2026 macht Hoffnung

Doch die Formel 1 weiß, dass Deutschland ein wichtiger Markt ist, der nicht dauerhaft vernachlässigt werden dürfte. Gerüchte gab es schon, dass es in der Zukunft alternierend jeweils pro Jahr ein Rennen in Deutschland oder Frankreich geben könnte. Neuen Schwung bringt möglicherweise auch der Einstieg von Audi 2026. Der deutsche Autoriese könnte sich für ein Heimrennen starkmachen. «Wir haben das Gefühl, dass auch fanseitig großes Interesse da ist. Das wäre schon ein guter Ansatzpunkt, um über eine gemeinsame Zukunft zu reden», sagt Teske in Richtung des Herstellers aus Ingolstadt.

«Ich würde es lieben, in Deutschland ein Rennen zu fahren», sagte Mick Schumacher im Vorjahr. Doch mittlerweile ist er kein Stammfahrer mehr – und die deutschen Fans sehen kein einziges Rennen im Free-TV mehr. Während der Pay-TV Sender Sky mit sinkenden Zuschauerzahlen kämpft, kam kein Deal mit einem anderen Sender zustande, der maximal vier Läufe im frei empfangbaren Fernsehen zeigen wollte. 2022 hatte RTL das noch übernommen. Trotz aller Digitalisierung mache man den Zugang zum Sport für die breite Masse so schwerer, sagt Teske und ergänzt: «Wir müssen mehr junge Fans anziehen – und dann gehört da auch ein Deutschland-Grand-Prix dazu, um das ganze erlebbar zu machen.»

Von Thomas Wolfer, dpa