30. April 2024

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Jubeln ohne Konkurrenz: Gelingt deutscher Skisprung-Kniff?

Die restliche Weltelite trainiert, das deutsche Team um den erneuten Sieger Wellinger darf in Rumänien feiern. Lohnt sich die Reise nach Rasnov? Der Bundestrainer ist für die WM guter Dinge.

Das Siegerfoto um den schon wieder strahlenden Andreas Wellinger sah aus wie ein Familienbild. Platz eins für den Olympiasieger aus Bayern, die Ränge drei bis sechs für Karl Geiger, Markus Eisenbichler, Philipp Raimund und Constantin Schmid.

Wird Skispringen unmittelbar vor der WM plötzlich zur deutschen Domäne, bei der fortan analog zum Bob oder Rodeln Dreifacherfolge erwartet werden können?

Nicht ganz. Denn während die restliche Weltelite um Norwegens Dominator Halvor Egner Granerud oder Österreichs Stefan Kraft vor den Titelkämpfen in Planica geschlossen pausierte, reisten die Deutschen ins rumänische Rasnov – und räumten an beiden Tagen konkurrenzlos mächtig ab.

«Es hat sich niemand hierher gewagt vor der WM, wir schon. Wir haben vor zwei Jahren schon gute Erfahrungen gemacht», sagte Bundestrainer Stefan Horngacher zur Begründung – bei der Heim-WM 2021 in Oberstdorf gab es damals in jedem Wettbewerb eine Medaille, darunter Gold im Team und im Mixed.

Wellinger und Geiger gewinnen Super-Team-Wettbewerb

In Rumänien kam es am Samstag zu einem deutschen Skisprung-Fest ohne großen sportlichen Wert, bei der selbst der erste Dreifacherfolg seit Dezember 1990 nur wegen des Slowenen Ziga Jelar (Tagesrang zwei) verpasst wurde. Horngacher lobte die positive Formkurve seiner Athleten und sah «einen guten Wettkampf». So lief es auch am Sonntag, als Wellinger und Geiger deutlich den neuen Super-Team-Wettbewerb für sich entschieden. «Wir haben das Ding souverän gewonnen, das war auch notwendig», sagte Horngacher.

In der ersten WM-Woche im malerischen Tal in Slowenien wird sich nun zeigen, wessen Kniff sich durchgesetzt hat: die Wettkampfpause der Konkurrenz mit geringeren Reisestrapazen oder der deutsche Weg, der auf die Generalprobe auf einer Normalschanze und zusätzliches Selbstvertrauen durch gute Resultate setzt.

Wellinger als deutscher Hoffnungsträger

Für Tagessieger Wellinger, der bereits in Lake Placid in der Vorwoche eine jahrelange Flaute beendet hatte, ist die Antwort bereits klar. «Ich würde sagen, dass wir alles richtig gemacht haben.»

Tatsächlich wird der 27 Jahre alte Bayer zum großen Hoffnungsträger für die WM-Tage von Planica. Im Überschwang seines nächsten Weltcup-Erfolgs bremste er sogar die deutsche Skisprung-Legende Sven Hannawald. «Sven, red‘ nicht so viel», sagte der Olympiasieger, als er freudestrahlend ans ARD-Mikrofon kam und einen weiteren Coup erklären dürfte.

Chefcoach Horngacher scheut sich nicht, Wellinger mit hohen Erwartungen zu überziehen. «Ich habe das Gefühl, dass er die Führung in der Mannschaft übernommen hat. Er ist momentan unser aussichtsreichster Sportler», sagte der Tiroler Coach.

Auch Wellinger selbst ist mit seiner Entwicklung zufrieden. «Es fühlt sich ziemlich geil an. Es ist wirklich ungewohnt. Das Selbstvertrauen ist das, was mich momentan rettet. Es fühlt sich unglaublich gut an, wieder ganz oben zu springen», sagte er, der bei der WM mehr sein möchte als ein Herausforderer von Granerud und Kraft. Sein erklärtes Ziel: die Medaillen, am besten direkt im Einzel.

Dass die Konkurrenz in Rasnov geschlossen fern blieb, hatte für die Skispringer auch Positives. «Für uns ist es gut, wir können einen Haufen Weltcup-Punkte machen. Natürlich möchte man sich gern mit den Besten messen. Aber wer nicht da ist, kann nicht gemessen werden. Von daher: selbst schuld», sagte Eisenbichler. Wellinger leistete sich sogar etwas Kritik: «Für den Veranstalter ist es beschissen, wenn keiner da ist.»

Patrick Reichardt, dpa