27. April 2024

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Bittere Lehrstunde zum Abschluss: Keine Medaille für DEB

Das hatten sich die deutschen Eishockey-Nationalspieler ganz anders vorgestellt. Frustriert mussten sie zum WM-Abschluss zusehen, wie die US-Profis die Bronzemedaille feiern. Insgesamt war das Turnier in Lettland dennoch ein Erfolg.

Abschied mit Tränen statt Bronze: Deutschlands lange famoses Eishockey-Team hat zum Abschluss der WM in Riga eine Demütigung erlebt und sich nicht mit der erhofften ersten WM-Medaille seit 68 Jahren belohnt.

Nur 21 Stunden nach der unglücklichen Halbfinal-Niederlage gegen Finnland wurde die müde und mental ausgebrannte Auswahl von Bundestrainer Toni Söderholm im Spiel um die Bronzemedaille von den USA beim 1:6 (0:1, 0:4, 1:1) deklassiert. WM-Debütant Dominik Bittner von den Grizzlys Wolfsburg erzielte das einzige deutsche Tor (50. Minute), als das Spiel längst entschieden war.

Enttäuschte DEB-Spieler

«Das tut gerade brutal weh. Es ist schwer, Worte zu finden», sagte der frühere NHL-Profi Korbinian Holzer und musste erst einmal durchpusten: «Wir waren so nah dran ins Finale einzuziehen, heute hat es nicht gereicht», sagte der Verteidiger und bilanzierte: «Es wird dauern, bis wir realisieren, was wir geschafft haben. Es sind kleine Details, die zur Weltspitze fehlen. Es war ein Riesenschritt.»

Nach Spielende kamen Kapitän Moritz Müller erneut die Tränen, als er schon umgezogen die Auszeichnung des besten deutschen Spielers entgegennahm. Als er sich im zweiten Drittel in einen Schuss geworfen hatte, hatte sich der Verteidiger an der linken Hand verletzt. Bei der Medaillen-Übergabe waren die deutschen Spieler nur verbitterte Zuschauer. «Ich bin einfach stolz. Es war ein sehr starkes Turnier mit einer Mannschaft von ganzen feinen Menschen. Heute war nicht unser Tag», bilanzierte Söderholm.

Christian Wolanin (6.), Conor Garland (27.), Jack Drury (29.), Jason Robertson (32.), Trevor Moore (33.) und Ryan Donato (50.) sicherten den US-Boys die insgesamt achte WM-Bronzemedaille. Deutschland belegte wie zuletzt bei der Heim-WM 2010 Platz vier.

Starke Turnierleistung

Was vor elf Jahren indes noch einer Sensation glich, fühlt sich nun an wie eine Enttäuschung – was auch an der Lehrstunde zum Abschluss lag. Insgeheim hatte sich das Team des Deutschen Eishockey-Bunds (DEB) mehr ausgerechnet und gar auf den Weltmeister-Titel geschielt. In der Tat hatte zum ersten WM-Finale seit 91 Jahren nicht viel gefehlt. Beim 1:2 gegen die Heimat Söderholms war Deutschland die bessere Mannschaft, hatte aber kein Glück und leistete sich zudem zwei folgenschwere individuelle Patzer, die von den effektiven Finnen gnadenlos ausgenutzt wurden.

Die Spieler gaben sich nach der bitteren Niederlage entschlossen, zumindest Platz drei und damit das beste WM-Ergebnis seit Silber 1953 zu sichern. Dies gelang nicht, weil auch der mentale Kraftakt nicht klappte. «Es war nicht einfach, das zu verarbeiten», bekannte Söderholm vor dem Spiel angesichts der Niederlage am Samstag. Torhüter Mathias Niederberger, der die schnelle Fokussierung auf eine mögliche Medaille nach dem 1:2 gegen die Finnen als «Challenge» bezeichnet hatte, saß dann auch nur auf der Bank.

Rückstand hinterhergelaufen

Ersatzmann Felix Brückmann war aber schon nach gut fünf Minuten beim ersten US-Torschuss überhaupt überwunden. Der starke Verteidiger Wolanin nahm Matthias Plachta den Puck ab, startete ein Solo und vollendete. Schon wieder musste die deutsche Auswahl in ihrem zehnten Spiel binnen 16 Tagen wie zuvor bereits im Halbfinale gegen die Finnen und im Viertelfinale gegen die Schweiz einem Rückstand hinterherlaufen. «Wir müssen jetzt langsam aufwachen», warnte Verteidiger Moritz Seider in der Drittelpause.

Indes geschah das Gegenteil. Deutschland tat sich in der Offensive gewohnt schwer, während die USA gnadenlos Chancen nutzte. Mit jedem Gegentor wurden die deutschen Beine schwerer, selbst in doppelter Überzahl wollte kein Treffer mehr fallen.

Positive Entwicklung im deutschen Eishockey

Ein Erfolg ist die WM in der Gesamtbetrachtung dennoch. Die Entwicklung im deutschen Eishockey mit immer mehr NHL-Leistungsträgern, von denen die besten – Deutschlands Sportler des Jahres 2020 Leon Draisaitl, Torhüter Philipp Grubauer und Top-Neuling Tim Stützle – in Riga gar nicht dabei waren, schreitet voran. Nach der sensationellen Olympia-Silbermedaille 2018 begeisterte zumindest bis zum Samstag wieder eine leidenschaftliche Auswahl mit bestem Teamgeist und Kampfkraft. In der Vorrunde gelang mit dem ersten WM-Sieg seit 25 Jahren gegen Kanada (3:1) zudem Historisches. «Ich glaube, dass ganz Eishockey-Deutschland stolz ist, wie sich die Mannschaft hier präsentiert hat», sagte Söderholm, der sich selbst fast ergriffen über seine Auswahl äußerte.

Von Carsten Lappe und Kristina Puck, dpa