29. März 2024

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Ungeliebter Favorit: Ablehnung lässt Leipzig-Trainer kalt

So groß war die Chance auf den ersten Titel der Clubgeschichte noch nie. Der Favorit im DFB-Pokal heißt RB Leipzig. In Hannover wurde auch wieder klar: Viele Fans hoffen, dass die Leipziger scheitern.

Der Trainer von Hannover 96 hat sich als besonders fairer Verlierer gezeigt. «Jetzt wünsche ich euch, dass ihr den Pokal holt», sagte Christoph Dabrowski nach dem 0:4 (0:2) gegen RB Leipzig zu seinem Kollegen Domenico Tedesco.

Allein: Abgesehen von Dabrowski und den Anhängern von RB wünscht sich eine große Mehrheit der Fußball-Fans in Deutschland mutmaßlich genau das nicht. Die Leipziger sind der einzige Bundesliga-Spitzenclub im Halbfinale des DFB-Pokals. Die unangenehme Aufgabe, vor 25.000 euphorischen Zuschauern gegen einen besonders formstarken Zweitligisten antreten zu müssen, erledigten sie am Mittwochabend durch Tore von Christopher Nkunku (17./22. Minute), Konrad Laimer (67.) und André Silva (73.) auf überzeugende Weise. Doch genau in der Phase, in der die Leipziger Chance auf den ersten Titelgewinn der Vereinsgeschichte so groß wie noch nie zu sein scheint, hat die ohnehin schon ausgeprägte Ablehnung vieler Fans gegen den Retortenclub noch einmal zugenommen.

In der HDI Arena in Hannover wurden die Leipziger vor und während des Spiels lautstark beschimpft und beleidigt. Trainer Tedesco berichtete hinterher davon, dass Anhänger der 96er in der Nacht vor diesem Viertelfinal-Spiel mehrere Feuerwerkskörper vor dem Mannschaftshotel der Sachsen abgefeuert hätten, um deren Schlaf zu stören. «Die haben uns heute um 1.00 Uhr nachts und um 5.00 Uhr nachts wach geschossen. Wir haben eine kurze Nacht gehabt, schlecht geschlafen – und dann trotzdem so ein Auswärtsspiel gemacht», sagte Tedesco.

Imageschaden

Fanproteste gegen die «Roten Bullen» gab es schon immer. Dass ein Unternehmer einen Club mit Millionen-Investitionen in die Bundesliga hievt und einem weiteren Traditionsverein dort vermeintlich den Platz wegnimmt, stört viele Anhänger auch an der TSG Hoffenheim und ihrem Mäzen Dietmar Hopp. Bei den Leipzigern kommen aber noch andere Dinge hinzu. Vor allem, dass sie nicht bloß als Prestigeobjekt eines Milliardärs wahrgenommen werden, sondern als Mittel zu dem Zweck, die Getränkemarke Red Bull noch bekannter zu machen.

Der Umgang mit dem russischen Angriff auf die Ukraine und dessen Folgen hat dem Image von RB in den vergangenen Tagen noch weiter geschadet. Zunächst wollte der Club das Europa-League-Duell mit Spartak Moskau nicht aus eigenen Stücken boykottieren. Als der europäische Verband UEFA die beiden Partien absetzte und die Leipziger dadurch kampflos in die nächste Runde einzogen, fragten viele: Warum spendet ihr die sechsstellige Prämie der UEFA für das Erreichen des Viertelfinals jetzt nicht für Kriegsopfer?

RB-Geschäftsführer Oliver Mintzlaff reagierte darauf vor dem Hannover-Spiel so: «Diese Diskussion kotzt mich total an. Jeder soll erst einmal bei sich selber anfangen. Das ist mir zu viel Symbolpolitik», sagte er in einem Sport1-Interview. «Dass wir eine gesellschaftliche Verantwortung haben und diese auch wahrnehmen, daran besteht gar kein Zweifel. Die, die jetzt fordern, die sollen das und das spenden, die sollen erst einmal selber spenden.»

Je nach Sichtweise wird Mintzlaff das nun als emotionale Verteidigung seines Clubs oder als Empathielosigkeit ausgelegt. Und mitten in dieser in jeder Hinsicht angespannten Atmosphäre versucht die Leipziger Mannschaft nun, nach den beiden Final-Niederlagen 2019 und 2021 endlich zum ersten Mal den DFB-Pokal zu gewinnen.

«Wir wissen, dass wir jetzt als Favorit gehandelt werden», sagte Mittelfeldspieler Kevin Kampl nach dem Hannover-Spiel. «Und wir wissen, wie geil es ist, nach Berlin ins Olympiastadion zu fahren. Sollten wir wieder dahin kommen, dann dürfen wir uns die Chance nicht entgehen lassen, den Pokal mit nach Hause zu nehmen.»

Diese Fokussierung gefällt seinem Trainer. Dass kaum jemand RB den Titel gönnt, lässt Tedesco kalt. «Man wird immer unsympathischer, wenn man gewinnt», sagte er. «Als ich mit Schalke Vizemeister wurde, hat uns das außer den Schalkern auch kaum jemand gegönnt.»

Von Sebastian Stiekel, dpa