29. März 2024

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Mythos Alpe d’Huez: Der Party-Berg der Tour de France

Die Königsetappe der diesjährigen Tour weist über 4500 Höhenmeter auf. Das Spektakel wartet am Ende, wenn es den 13,8 Kilometer langen Anstieg zum Skiresort Alpe d'Huez hinauf geht.

Fast 14 steile Kilometer, 21 berühmte Serpentinen, mehrere Hunderttausend euphorische Fans: Mit der Bergankunft in Alpe d’Huez erreicht die 109. Tour de France am Donnerstag ihren Siedepunkt.

Erstmals seit Ausbruch der Coronavirus-Pandemie steht das Skiresort in den Alpen wieder im Programm – und die Franzosen hoffen an ihrem Nationalfeiertag auf einen Heimsieg am berühmtesten Berg der Tour.

Das sagen die Deutschen:

Lennard Kämna kletterte schon als kleiner Junge hinauf auf 1850 Meter. «Wir sind dort im Urlaub hoch gefahren. Ich war zehn oder elf und es hat mir viel Spaß gemacht. Ich habe das damals gerade so geschafft», sagte der 25-Jährige. Am Donnerstag erwartet Kämna eine «einmalige Atmosphäre». Auf die freut sich auch Simon Geschke: «Alpe d’Huez ist immer eine riesen Party. Das ist ein riesiges Erlebnis.»

Die 21 Kurven

Vom Talort Le Bourg d’Oisans führen 21 Serpentinen hinauf zum Skigebiet. Es wird rückwärts gezählt und jede Kurve ist nach einem Etappensieger benannt. Weil es irgendwann mehr Sieger als Kurven gab, tragen einige zwei Namen. Ein deutscher Fahrer hat noch nie gewonnen. Zuletzt siegte der Waliser Geraint Thomas dort 2018 – und am Ende auch bei der Tour.

Pantanis Rekord

Der legendäre Pirat des Pelotons hält nicht nur den Rekord mit 36:50 Minuten, die er 1995 nur benötigte. Nein, Marco Pantani ist gleich die drei schnellsten Zeiten gefahren. 1994 benötigte der zehn Jahre später verstorbene Italiener 37:15 Minuten und 1997 waren es 36:54.

Die Kurve der Holländer

Der ganze Berg wird am Donnerstag eine gewaltige Party sein. Das größte Event steigt jedoch in Kurve sieben. Als der niederländische Pfarrer Jaap Reuten 1964 dort zum Skifahren war, konnte er nicht glauben, dass es dort keine Kirche gab. Also ließ er eine errichten, ging dort selbst seinem Beruf nach und läutete beim Sieg seines Landsmanns Joop Zoetemelk 1976 die Glocken. Fortan tat er das bei jedem niederländischen Sieg, acht sind es bis heute. Die Fans aus Oranje machten die Kurve zu ihrer Exklave und eskalierten bei jeder Etappe ein wenig mehr. «Dutch corner» gehört heute zu Alpe d’Huez wie die Champs-Élysées zu Paris.

Lance und The Look

2001 bluffte Lance Armstrong den ganzen Tag. Er hielt sich ungewohnt weit hinten im Feld auf, verzerrte sein Gesicht. Jan Ullrich hoffte auf einen schlechten Tag seines Rivalen und ließ sein Team hohes Tempo fahren. Doch es war nur ein großes Schauspiel von Armstrong. Am Fuß des Anstiegs ließ er seinen Helfer José Luis Rubiera ein hohes Tempo fahren, drehte sich noch einmal zu Ullrich um – und fuhr allen davon. Das Umdrehen zu Ullrich ging als «The Look» in die Radsport-Geschichte ein. Dabei galt Armstrongs Blick gar nicht seinem Konkurrenten, wie er in der ARD-Dokumentation «Being Jan Ullrich» aufklärte. Er habe lediglich zu Rubiera geschaut.

Coppis Premiere

Der erste Sieger auf dem im Schnitt 8,1 Prozent steilen Anstieg war der Italiener Fausto Coppi. Es war 1952 zugleich die erste Bergankunft in der Geschichte der Tour de France. Es sollte allerdings bis 1976 dauern, ehe die Rundfahrt wieder nach Alpe d’Huez kam. 2013 wurde der Anstieg bei der 100. Tour sogar zweimal gefahren.

Guerinis Sturz

Es sah nach einem sicheren Etappensieg für das Team Telekom aus. Der deutsche Rennstall musste 1999 auf den verletzten Jan Ullrich verzichten, also machte sich Guiseppe Guerini auf, die Prestige-Etappe zu gewinnen. Etwa 800 Meter vor dem Ziel lief dem Italiener aber ein Hobbyfotograf ins Rad und er kam zu Fall. «Es war der schlimmste Moment meines Lebens», sagte der Bergspezialist. Guerini berappelte sich schnell, stieg wieder auf und rettete einen Vorsprung von 21 Sekunden ins Ziel.

400 Mal pro Tag

Aufgrund der guten Erreichbarkeit ist Alpe d’Huez auch bei Hobbyradlern sehr beliebt. Grenoble ist nicht weit weg und andere berühmte Anstiege wieder Col du Galibier und der Col de la Croix de Fer sind ebenfalls nah. Durchschnittlich fahren täglich 400 Radsportler die 21 Serpentinen hinauf, im Sommer sind es um die 1000.

Von Tom Bachmann und Stefan Tabeling, dpa