23. April 2024

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«Letzte Option»: Neue Drohkulisse aus Europa im WM-Streit

Der Streit um eine Verkürzung des WM-Rhythmus auf zwei Jahre eskaliert weiter. Für mehr als ein Dutzend Fußball-Verbände aus Europa kommt inzwischen ein FIFA-Austritt infrage.

Mit einer weiteren Drohgebärde aus Europa spitzt sich die Debatte um die umstrittenen FIFA-Pläne für eine WM alle zwei Jahre zu.

Mehr als ein Dutzend Verbände erwägt nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur, die Mitgliedschaft im Weltverband als letzte Option zu beenden und aus der FIFA auszutreten. Zuerst hatte die Nachrichtenagentur AP darüber berichtet. FIFA-Chef Gianni Infantino hatte bei zahlreichen europäischen Verbandschefs für die Reform des internationalen Spielkalenders der Männer ab 2024 geworben – und war dabei auf vehementen Widerstand gestoßen.

«Insgesamt haben die europäischen Verbände sehr deutlich gemacht, dass sie geschlossen gegen die FIFA-Pläne stehen. Der FIFA wurden zahlreiche Argumente gegen die Pläne vorgelegt», teilte der Deutsche Fußball-Bund auf dpa-Anfrage mit. «Unser Eindruck war, dass der FIFA-Präsident sehr nachdenklich wirkte und verstanden hat, warum es keinen Sinn macht, so vorzugehen.»

Klarheit bis zum Jahresende

Ungeachtet dessen wollte das FIFA-Council bei seiner Sitzung am heutigen Mittwoch die nächsten Schritte für die von Infantino angestrebte Reform mit einer Verkürzung des WM-Rhythmus von vier auf zwei Jahre festlegen. Die FIFA und ihr Präsident hatten angekündigt, bis zum Jahresende Klarheit dafür haben zu wollen. Dazu könnte es ein außerordentliches Treffen der FIFA-Mitgliedsverbände im Dezember geben. Offen war noch, ob kurz vor Weihnachten dabei lediglich weitere Beratungen anstehen oder es zu einem Votum kommt – dabei wären die Verbände aus Europa und Südamerika alleine weit von einer Mehrheit entfernt.

Eine Abstimmung über die Pläne noch in diesem Jahr solle unbedingt verhindert werden, erklärte der DFB, dessen Interimspräsident Peter Peters im FIFA-Council sitzt. In dem erbittert geführten Streit setzt der deutsche Verband auf «eine gemeinsame von FIFA und UEFA erarbeitete einvernehmliche Lösung» beim internationalen Spielkalender. Der DFB antwortete auf die Frage, ob der Austritt aus dem Weltverband FIFA eine Option sei: «Der DFB ist in enger Abstimmung mit der UEFA und den anderen Verbänden.» Als möglicher Kompromiss könnte noch eine weltweite Nations League, nach dem Vorbild der europäischen Version, als zusätzliche Veranstaltung anstelle einer WM alle zwei Jahre wieder auf die Agenda rücken.

Bei dem Treffen mit europäischen Vertretern am Dienstag habe Infantino die Idee für eine WM alle zwei Jahre auch damit begründet, dass die Aufmerksamkeit junger Menschen durch andere Aktivitäten vom Fußball abgelenkt werde, hieß es bei AP. Der Schweizer habe appelliert, gemeinsam Wege zur weiteren Entwicklung des Fußballs zu finden. Angesichts des großen Widerstandes gegen die Pläne vor allem aus Europa habe Infantino gemahnt, alle Meinungen zu respektieren.

Kontroverse Debatte

Eine mögliche Weltmeisterschaft im Zwei-Jahres-Rhythmus wird derzeit kontrovers diskutiert. Aleksander Ceferin, Präsident der Europäischen Fußball-Union, drohte bereits mit Boykott aus Europa. Auch der Kontinentalverband Südamerikas lehnt dies kategorisch ab.

Zuletzt hatten die nordischen Verbände von Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland, Island und Färöer in einem gemeinsamen Statement ihre Position gegen eine WM alle zwei Jahre verdeutlicht. «Im schlimmsten Fall und als letzte Option kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Verbände aus Protest und mangelndem Verlangen nach dem neuen Aufbau aus der FIFA austreten», sagte der dänische Verbandschef Jesper Møller, der auch Mitglied der UEFA-Exekutive ist.

Ein möglicher Austritt von Mitgliedsverbänden ist in Artikel 18 der FIFA-Statuten geregelt. Demnach kann dieser Schritt zum Ende eines Kalenderjahres erfolgen, eine entsprechende Erklärung muss spätestens sechs Monate vor Jahresende abgegeben werden. Dies könnte also nicht mehr 2021 erfolgen, ebenso bleibt abzuwarten, ob Revoluzzer-Verbände letztlich wirklich auf eine FIFA-Mitgliedschaft verzichten. In der Pandemie hatte der Weltverband 2020 alleine eine Million US-Dollar als direkte Unterstützung an jede der 211 Föderationen ausgeschüttet. Teams aus den jeweiligen Ländern könnten zudem nicht mehr an FIFA-Wettbewerben teilnehmen, wären als UEFA-Mitglied jedoch weiter noch bei Turnieren des europäischen Kontinentalverbands dabei.

Weniger Länderspiel-Fenster

Arsène Wenger, FIFA-Chef für globale Fußballentwicklung, hatte zuvor noch einmal für die von ihm vorgeschlagenen Reformen geworben. Dabei soll auch die Anzahl der Fenster für Länderspiele soll insgesamt verringert werden.

Dennoch gibt es auch abseits der Nationalverbände weiter massive Kritik aus Europa an den FIFA-Plänen für eine WM alle zwei Jahre. Nach Ansicht von Javier Tebas, Chef der spanischen La Liga, würden diese das «komplette Ökosystem des Fußballs» zerstören. «Möglicherweise werden Ligen verkleinert, der Wert der TV-Rechte für diese Ligen sinkt, die Spieler verdienen dort weniger. So machen wir Fußball zu einem Sport der Eliten. Das ist ein großer Fehler», sagte der 59-Jährige, der ebenso im UEFA-Exko sitzt, in einem Interview der «Sport Bild» (Mittwoch).

Eine Technische Beratungsgruppe der FIFA um Direktor Wenger hatte die WM-Ausrichtung alle zwei Jahre vorgeschlagen, auch der Rhythmus der Kontinentalturniere wie der EM würde dabei verkürzt. Demzufolge sollen die Änderungen nach der WM 2026 in den USA, Kanada und Mexiko mit erstmals 48 Nationen endgültig greifen. 2027 würden dann die Turniere der Konföderationen ausgerichtet werden. Im bislang geplanten EM-Jahr 2028 stünde dann schon wieder die nächste WM an.

Von Florian Lütticke und Robert Semmler, dpa