25. April 2024

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Kampfansage: Inter glaubt nach Derbysieg an Final-Coup

Kaum einer hat mit diesem Durchmarsch gerechnet - nun glaubt Inter in der Champions League auch an den finalen Triumph. Favorit wird der Gegner sein. Parallelen zu 2010 aber machen in Mailand Mut.

Eigentlich war der allererste Freudenrausch schon fast verflogen. Die Fußballer von Inter Mailand hatten gerade den Stadtrivalen AC Milan bezwungen und das Finale der Champions League erreicht.

Die ersten Anhänger verließen ihre Tribünenplätze, einige Profis holten noch auf dem Feld ihre Handys raus. Die TV-Sender schalteten schon in die Studios, um das 1:0 von Inter im Halbfinal-Rückspiel und damit nach dem 2:0 im ersten Duell den verdienten Erfolg zu analysieren.

Dann schnappte sich plötzlich Federico Dimarco auf dem Feld das Stadionmikrofon, raste wie wild zur Fankurve und brüllte über die Lautsprecher: «Wer nicht hüpft, der ist rot-schwarz – hey hey…» Und zigtausende Inter-Tifosi in schwarz-blau gehorchten dem Nationalspieler – das altehrwürdige San-Siro-Stadion vibrierte. Dimarco stimmte immer mehr Gesänge an. Der gebürtige Mailänder, der schon zu Grundschulzeiten in der Jugend bei Inter gekickt hatte, wollte das Mikrofon an diesem vereinshistorischen Abend gar nicht mehr aus der Hand geben.

«InterSTANBUL!»

13 Jahre nach dem Coup gegen den FC Bayern München und zum insgesamt sechsten Mal steht Inter wieder im wichtigsten Finale des europäischen Vereinsfußballs. Am 10. Juni greifen die Italiener in Istanbul – oder «InterSTANBUL!», wie die Zeitung «Tuttosport» titelte – nach ihrem vierten Triumph in der Königsklasse. Die Mailänder mögen dann vielleicht nicht die fußballerische Klasse haben von Teams wie Manchester City oder Real Madrid, die sich im zweiten Halbfinale gegenüberstanden. Doch diesem Inter ist auch als Außenseiter am Bosporus alles zuzutrauen.

Von «großartigen Emotionen» berichtete Trainer Simone Inzaghi. «Das haben wir uns alles verdient, uns wurde nichts geschenkt.» In den Worten schwang reichlich Genugtuung mit, stand der Trainer in dieser Saison doch mehrmals kurz vor dem Rauswurf, als sein Team in der Liga schwächelte. Noch in der Nacht des Derby-Erfolges bekam der 47-Jährige von Clubchef Steven Zhang eine Job-Garantie über den Sommer hinaus – Inzaghi hat noch einen Vertrag bis 2024.

Er ist der erst vierte Coach nach Helenio Herrera, Gianni Invernizzi und José Mourinho, der Inter in das Königsklassen-Finale bringt. Wie Club-Legende Herrera zweimal in den 1960ern und Mourinho vor 13 Jahren kann er die Mailänder nun auf den Thron hieven.

Den Kern bilden erfahrene Ü30-Akteure

Just zu 2010 tun sich Parallelen auf: Inzaghi schaffte es wie Mourinho, in der entscheidenden Saisonphase das Beste aus dem Team herauszuholen. Den Kern bilden erfahrene Ü30-Akteure: Die Lucios, Javier Zanettis und Dejan Stankovics von damals heißen heute Francesco Acerbi, Henrich Mchitarjan und Edin Dzeko. Vor allem die Defensive überzeugt: Mourinhos famos ermauertes 0:1 in Unterzahl im Halbfinal-Rückspiel gegen Lionel Messis FC Barcelona war ein in Mailand unvergessliches Meisterstück. Inzaghis Schützlinge kommen wie die Interisti damals auf nur drei Gegentreffer in den K.o.-Spielen – die übrigens alle im Viertelfinal-Rückspiel gegen Benfica Lissabon kassiert wurden, als das Weiterkommen praktisch schon sicher war.

Kaum jemand hatte Inter den Durchmarsch bis ins Endspiel zugetraut – nur Stürmer Romelu Lukaku sprach davon offenbar schon im vorigen Sommer, wie Präsident Zhang erzählte. Dass der belgische Nationalspieler gegen den AC Mailand jeweils nur Edeljoker war, spricht für die Qualität und Tiefe des Kaders. Am Dienstag bereitete der bullige Angreifer nach seiner Einwechslung den Siegtreffer von Kapitän Lautaro Martinez in der 74. Minute vor.

«Und jetzt fahren wir nach Istanbul und holen uns den Pokal», kündigte der argentinische Weltmeister kurz vor Mitternacht noch an. Zu dem Zeitpunkt hatten sich Tausende Fans in Mailand bereits auf dem zentralen Domplatz versammelt, sie zündeten Feuerwerke, sangen, grölten und feierten. Dafür war kein Partybefehl von Federico Dimarco nötig.

Von Manuel Schwarz, dpa