19. April 2024

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Drama und Déjà vu beim Suárez-Aus

Zwischen Uruguay und Ghana wiederholt sich ein Stück WM-Historie, nur dass diesmal Luis Suárez weint. Doch auch für die Afrikaner endet der Abend bitter. Trainer Otto Addo dankt - und hört auf.

Luis Suárez weinte auf der Ersatzbank bitterlich. Uruguays Stürmerstar hielt sich ein verschwitztes Trikot vor das verheulte Gesicht, konnte kaum von den Betreuern getröstet werden. Wenige Meter weiter bedrängten seine Teamkollegen Edinson Cavani & Co. den deutschen Schiedsrichter Daniel Siebert arg, den sie wegen zweifelhafter Elfmeterentscheidungen als Schuldigen für ihr WM-Unglück ausgemacht hatten. Zwar durften die Südamerikaner in ihrer Turnier-Statistik durch das 2:0 gegen Ghana am Freitag in Al-Wakra einen Sieg notieren, doch das war aufgrund des 2:1 von Südkorea gegen Portugal den Himmelblauen völlig egal. Uruguay raus, Ghana raus.

Tief enttäuschte schlurfte auch Ghanas Trainer Otto Addo, der eine Stunde nach dem Spiel Gott, seiner Frau und dem Verbandspräsidenten für die WM-Gelegenheit dankte, über den Rasen und versuchte nach seinem letzten Spiel als Nationalcoach sein Team zu trösten. Anders als vor zwölf Jahren, als sich Suárez im Viertelfinale der WM in Südafrika mit seinem Handspiel auf der Linie kurz vor Ende der Verlängerung zum Feindbild vieler Fans in Ghana gemacht hatte, schieden diesmal aber nicht nur die Afrikaner aus.

Für viele Altstars wohl die letzte WM

Auch Uruguays Spieler müssen die Koffer packen – und eine ganze Reihe Routiniers wie Suárez (35), Cavani (35) oder Rekordnationalspieler Diego Godín (36) werden wohl auch nicht mehr auf die Weltmeisterschafts-Bühne zurückkehren. «Wir gehen nach Hause mit einem faden Beigeschmack», sagte Trainer Diego Alonso mit Tränen in den Augen. Beim Turnier in Südafrika weinten nur Ghanas Stars – nun vergoss ausgerechnet der diesmalige Torvorbereiter und damalige Badboy Suárez kurz nach dem Abpfiff die meisten Tränen. Als er ausgewechselt wurde, stand sein Team noch im Achtelfinale – bis Südkorea im Parallelspiel spät noch einmal zuschlug.

Doppeltorschütze Giorgian de Arrascaeta von Flamengo Rio de Janeiro führte das zuvor sieg- und torlose Uruguay mit einem Doppelpack (26. und 32. Minute) zum Sieg vor 43 443 Zuschauern. Ghana verschoss wie 2010, als Asamoah Gyan vom Punkt scheiterte, zuvor wieder einen Elfmeter. Uruguay bestrafte das erneut gnadenlos, aber letztlich blieb dieses Déjà vu ohne wirklichen Nutzen. «Wir sind sehr traurig», sagte der 28 Jahre alte Doppeltorschütze. «Es hing am Ende aber nicht von uns ab, weil es andere Faktoren gab.» Das ließ viel Spielraum, ob er damit Siebert meinte.

Schiedsrichter Siebert im Mittelpunkt

Zum Ende der ersten Halbzeit verwehrte Siebert Uruguay einen möglichen Foulelfmeter und nach gut einer Stunde einen klaren, obwohl der Videoassistent ihn nach einem klaren Foulspiel von Daniel Amartey an Darwin Núñez noch einmal zum Studium der Videobilder gebeten hatte. «Die Mannschaft hat alles gegeben und es ist sehr klar, was passiert ist. Mehr kann man jetzt nicht sagen», umschrieb es Alonso vielsagend. «Ich bedauere es zutiefst, dass wir ausgeschieden sind.» Der 38-jährige Siebert musste nach dem Schlusspfiff vor aufgebrachten Spielern und Betreuern Uruguays förmlich in die Kabine flüchten.

Während sich die Südamerikaner, die schon beim 0:2 gegen Portugal kein Glück mit Elfmeterentscheidungen hatten, zu ihren Fans schleppten, versammelte Addo seine Auswahl an der Mittellinie in einem Kreis. «Wir werden daraus lernen. Diese Mannschaft hat eine große Zukunft vor sich», sagte der 47-Jährige. «Das ist Fußball. Manchmal ist er schön, manchmal hässlich. Heute war er hässlich.»

Ghana, dem ein Unentschieden für das Achtelfinale gereicht hätte, vergab die große Chance, mit dem Einzug ins Achtelfinale als drittes afrikanisches Team nach Marokko und Senegal WM-Geschichte zu schreiben. Drei Teams aus Afrika gab es noch nie in der K.o.-Runde. «Es ist viel Schmerz», sagte Abwehrchef Daniel Amartey. «Aber alles passiert aus einem Grund. Wir kommen zur nächsten WM zurück.» Man habe viel aus diesem Turnier gelernt.

Addo bekräftigte im Al-Dschanub Stadion seine Zukunftsentscheidung. «Ich habe das schon gesagt, als ich als Co-Trainer startete. Es war klar, dass ich nach der WM aufhöre», sagte der frühere Bundesliga-Profi. «Meine Familie und ich sehen unsere Zukunft in Deutschland. Selbst wenn wir Weltmeister geworden wären, wäre es das Ende gewesen. Das ist eine Entscheidung für die Familie.» Schwer mitgenommen hatte Alonso an diesem Abend dagegen keine Lust auf dieses Thema: «Es ist zu früh, darüber zu reden.»

Christian Kunz, Carsten Lappe und Tom Bachmann, dpa