29. März 2024

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Deutsches Eishockey-Team sensationell im WM-Endspiel

Deutschland steht erstmals seit 1930 wieder in einem Finale der Eishockey-WM. Am Samstag gewann die DEB-Auswahl verdient auch gegen die USA und greift nun am Sonntag gegen Kanada nach dem WM-Titel.

Frederik Tiffels hüpfte jubelnd vor der Bande, Sekunden später wurde der Matchwinner von all seinen Kollegen auf der Eisfläche in Tampere förmlich überrannt. Der Jubel unter den deutschen Eishockey-Cracks kannte keine Grenzen. Das erste Eishockey-WM-Endspiel mit deutscher Beteiligung seit 93 Jahren ist perfekt, die erste deutsche WM-Medaille seit 70 Jahren sicher.

Die Auswahl von Bundestrainer Harold Kreis besiegte im Halbfinale im finnischen Tampere auch die USA mit 4:3 (2:2, 0:1, 1:0) nach Verlängerung und hat nun gar den ersten WM-Titel überhaupt vor Augen. Dies wäre der größte deutsche Eishockey-Erfolg für den Olympiazweiten von 2018 und Olympiadritten von 1976.

Am Sonntag (19.20 Uhr/Sport1 und MagentaSport) trifft Deutschland im Finale wie zuletzt 1930 bei der allerersten Weltmeisterschaft auf Kanada. Der Rekord-Weltmeister hatte das erste Halbfinale zuvor 4:2 gegen Lettland gewonnen. Im zweiten WM-Halbfinale für Deutschland binnen drei Jahren schoss am Samstag Tiffels das entscheidende Tor in der Overtime. In regulärer Spielzeit hatten Tiffels (13. Minute), Maksymilian Szuber (17.) und Marcel Noebels (59.) die Tore für die Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes erzielt.

«Alles ist möglich ab jetzt»

Tiffels sprach nach dem Coup bei Sport1 vom wichtigsten Tor seiner Karriere und blickte bereits auf das große Finale: «Alles ist möglich ab jetzt. Wir haben etwas ins Rollen gebracht. Warum sollten wir das morgen nicht beenden?» Und Moritz Seider ergänzte: «Ein Spiel, es kann alles passieren. Wir haben schon in der Vergangenheit gezeigt, dass wir Kanada schlagen können. Es wird ein cooles Spiel für alle.»

2010 und 2021 hatte die Weltmeisterschaft nach dem Halbfinaleinzug jeweils mit Rang vier für die DEB-Auswahl geendet. Das toppte das aktuelle Team vom neuen Bundestrainer Kreis bei dessen WM-Premiere als Chefcoach sogleich. 2010 war der 64-Jährige bereits als Co-Trainer des damaligen Bundestrainers Uwe Krupp dabei gewesen. «Ich überlege nicht, deswegen aufzuhören», sagte Kreis mit einem Schmunzeln: «Die Mannschaft ist unglaublich. Wie die Truppe zusammengewachsen ist, was das für eine Einheit ist.» Gegen sein Geburtsland Kanada werde sein Herz nur für Deutschland schlagen: «Ich bin so lange weg, ich fühle mich zu 100 Prozent als Deutscher.»

Wie schon beim 3:1-Viertelfinalsieg am Donnerstag gegen die Schweiz zeigte die Kreis-Auswahl erneut großen Willen und viel Leidenschaft und schaffte damit im dritten Spiel binnen drei Wochen gegen das US-Team den ersten Sieg. Den letzten WM-Test am 9. Mai (3:6) und das Vorrundenspiel am 15. Mai (2:3) hatte Deutschland noch verloren.

Horrorstart

Am Samstag arbeitete sich Deutschland nach einem Horrorstart zurück in die Partie. Schon nach 71 Sekunden sorgte NHL-Stürmer Alex Tuch von den Buffalo Sabres für die Führung, die AHL-Profi Rocco Grimaldi (4.) kurz darauf mit einem millimetergenauen Schlagschuss ins Toreck erhöhte.

Doch einmal mehr in diesem Turnier zeigte Deutschland Charakter, nachdem die Schiedsrichter einen bösen Kniecheck von Patrick Brown gegen den überragenden deutschen WM-Spieler Nico Sturm nicht mit einer Fünf-Minuten-, sondern nur mit einer Zwei-Minuten-Strafe ahndeten. Die aber nutzte das deutsche Tor zu einem Überzahltreffer von Münchens Tiffels.

Deutschland war nun in der Partie, bot Paroli und arbeitete hart. Den Ausgleich vor der ersten Drittelpause erarbeitete NHL-Angreifer Sturm von den San Jose Sharks mit einem couragierten Nachsetzen und toller Vorarbeit zu Szubers erstem WM-Treffer.

Schwieriger Mittelabschnitt

Und noch einmal musste Deutschland zurückkommen nach einem schwierigen Mittelabschnitt, in dem die USA gut verteidigte und Deutschland schon im Spielaufbau zu umständlich agierte. Beim erneuten Rückstand durch Michael Eyssimont (29.) von Tampa Bay Lightning war zudem die Defensive zu nachlässig und ermöglichte dem NHL-Profi im Nachstochern das dritte Tor der USA. Das Schlussdrittel verlief gegen die stark verteidigende junge US-Truppe lange zäh, ehe der Berliner Noebels kurz vor dem Ende den verdienten Ausgleich erzielte. In der Verlängerung sorgte Tiffels dann für die Sensation.

Kaum jemand hatte dem deutschen Team vor der WM etwas zugetraut. 15 verletzungsbedingte Absagen hatte Kreis von Leistungsträgern erhalten. Zudem sind bei der WM in Finnland und Lettland in Leon Draisaitl, Tim Stützle und Torhüter Philipp Grubauer auch drei der besten deutschen NHL-Spieler nicht dabei. Dennoch schaffte es Kreis, eine kämpferisch und spielerisch überzeugende Einheit zu formen.

Sollte am Sonntag gegen Kanada die Sensation gelingen, wäre der größte deutsche Erfolg überhaupt perfekt. Auch 1934 hatte Deutschland WM-Bronze gewonnen und war 1930 und 1953 sogar Vize-Weltmeister geworden. Damals waren die WM-Turniere allerdings lange nicht so besetzt wie heutzutage. 1953 etwa hatten nur vier Nationen in einer Gruppenphase ohne K.o.-Spiele teilgenommen. 1976 (Bronze) und 2018 (Silber) hatte Deutschland olympische Medaillen gewonnen.

Carsten Lappe, dpa