Zum EM-Finale gegen Deutschland haben die englischen Fußballerinnen ihren neuen Glücksbringer dabei.
Die achtjährige Tess wurde über Nacht in England bekannt, als im Fernsehen zu sehen war, wie sie nach dem 4:0-Sieg der Lionesses im Halbfinale auf der Tribüne ausgelassen zu Neil Diamonds Gassenhauer «Sweet Caroline» tanzt. Ein kurzer Clip davon ging viral. Der Sender BBC lud die begeisterte Jungfußballerin daraufhin ins Wembley-Stadion ein. Ob die kleine Tess dort am Sonntag den ersten großen Erfolg der Lionesses miterlebt?
«Die Zeit ist reif»
«Die Zeit ist reif», befand Ex-Nationalspielerin Karen Carney im «Mirror»-Interview. «Der nächste Schritt für uns ist, das Ding zu gewinnen.» Auf der Insel ist man sich einig: Selten war die Chance für ein englisches Fußballteam – Frauen wie Männer – so groß, einen Titel zu holen.
Die Engländerinnen stürmten furios durch die Gruppenphase, die sie mit 14:0 Toren abschlossen. Nach dem Kraftakt gegen Spanien (2:1) spielte sich das Team von Sarina Wiegmann im Halbfinale gegen Schweden (4:0) fast schon in einen Rausch – garniert von Alessia Russos Traumtor. Mit der Hacke spielte Russo den Ball durch die Beine der schwedischen Torhüterin. So schön kann Fußball sein.
Dreimal hintereinander war England im Halbfinale gescheitert (EM 2012, WM 2015, EM 2017). Ähnlich wie bei den englischen Fußball-Männern schien man immer auf der Zielgeraden zu scheitern. Nun ist England seit 19 Spielen ungeschlagen.
Dass die Lionesses schon vor dem Turnier als ernsthafte Titelanwärterinnen galten und dass Leistungsträgerinnen wie Beth Mead, Ellen White, Lucy Bronze oder Bayerns Neuzugang Georgia Stanway eine überragende EM spielen, ist wohl in erster Linie Wiegman zu verdanken, die das Traineramt im September 2021 von dem etwas unglücklichen Phil Neville übernommen hat.
Der Titeltraum lebt
«Von Anfang an hat es geklickt», sagte die Niederländerin, die mit ihrem Heimatland 2017 die EM gewann, im BBC-Interview. «Man fühlt eine Energie – und dass die Leute Vertrauen darin haben, wie wir arbeiten und spielen wollen. Das nehme ich nicht für selbstverständlich, aber man muss daran glauben, was man tut.» Den Glauben haben inzwischen nicht nur Wiegman und ihre Spielerinnen, sondern die ganze Fußball-Nation.
Die 52 Jahre alte Niederländerin, die bisher in jedes Spiel dieser EM mit derselben Aufstellung gegangen ist, hat das englische Team überall verbessert. Die Offensive ist kreativer, gedankenschneller und effizienter, das Mittelfeld stabiler und aggressiver, die Abwehr wirkt ruhiger und sicherer. Regelmäßig betont Wiegman, ihr Team sei auf alle Szenarien vorbereitet. Gegen Schweden sah man das. Die Engländerinnen taten sich anfangs schwer, fanden dann aber ihren Weg ins Spiel und dominierten den Gegner schließlich.
Schon jetzt sind sich Beobachter sicher, dass die mitreißenden Auftritte, den die Engländerinnen bei diesem Turnier bislang gezeigt haben, der Entwicklung des Frauen-Fußballs einen weiteren Schub geben. Doch ein Finalsieg im Klassiker gegen Deutschland und der erste große Titel für ein englisches Team seit der Männer-WM im eigenen Land 1966, wäre der ultimative Kick – im Wortsinne.
Zudem haben die Lionesses mit Deutschland noch eine Rechnung offen, denn als England 2009 zum zweiten im Finale stand, verlor man mit 2:6 gegen die DFB-Auswahl. Dass sich so ein Debakel im ausverkauften Wembley-Stadion vor der Rekordkulisse von 90 000 Zuschauern wiederholt, ist bei diesem Team kaum vorzustellen. Außerdem hat auch die achtjährige Tess noch ein Wörtchen mitzureden.
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